Jahn-Sportpark

Teilnahme am zweistufigen Wettbewerb Jahn-Sportpark 2022

unser Beitrag Einsatzmodell

 

Im Team mit Spreeplan Projekt und einenkel landschaftsarchitektur habe ich als Projektleiter am Wettbewerb teilgenommen. Wir haben eine Erhaltungs- und Ergänzungsplanung im Sinne der klimagerechten Bauwende beigetragen. Die Überdachung des Tribünenrings ist lediglich vervollständigt, die Haupttribüne saniert und ergänzt, der Sportpark mit individuellen Einzelbauwerken bereichert. Abrisse sind auf ein Minimum beschränkt, alles ist im laufenden Betrieb sukzessive und kostengünstig nachhaltig herstellbar.

Immerhin haben wir es mit diesem ökologischen Ansatz in die zweite Überarbeitungsrunde geschafft, im Resultat haben jedoch ausschließlich Abriss/Neubauplanungen Preise errungen. Wieder einmal droht ein Stück erhaltenswerter Stadt- und Baugeschichte ignoriert und viel Graue Energie zerstört zu werden.

Wir haben bewiesen, dass das bestehende Gebäude gut nachnutzbar und erweiterbar ist und über ergänzte Aufzüge barrierfrei betrieben werden kann. Markant ist der große behindertengerechte Doppelrettungsaufzug, vor das Bestandsgebäude plaziert und die Überfahrt als Uhrenturm ausgestaltet. An dieser netten kleinen baulichen Geste hat sich das Preisgericht sehr gestört. Wäre denn ein oberer Abschluss als Kiste besser gewesen?
Mit einem überschaubaren Aufwand kann im laufenden Betrieb eine neue Sportstätte entstehen, die auch für den Parasport geeignet ist. Der geforderte “Leuchtturm der Inklusion” ist sie nicht, jedoch eine für Ökologie, für Baukultur und für einen behutsamen Umgang mit Baugeschichte. Im Erläuterungebericht der 1. Phase ist das so beschrieben: HIER

Nun ist im Wettbewerb der Totalabriss beschieden worden. Das bedeutet in der Realität, dass nach eigenen Berechnungen etwa 25.000 m³ Trümmerschutt und Gebäudeabfälle mit hohem Energieaufwand zerlegt, befördert und irgendwie “entsorgt” werden müssten. Dafür würden rund 2.500 LKW`s ihre 10m³-Container durch den Kiez fahren, mit Rückweg also 5.000 Fahrten insgesamt – nur für den Abriss. Der Neubau verschlingt ebenfalls unmengen Rohstoffe und Energie und setzt massenweise klimaschädigende Stoffe frei. Und das, obwohl diese Umweltsünde mit nur geringen Abstrichen an die hoch gesetzten Ziele an das Stadion durch Nachnutzung vermeidbar gewesen wäre.

Der ressourcenschonende Umbau des Stadions hätte die Umwelt geschont und auch Kosten gespart – Geld, das man unmittelbar in die baulichen Ergänzungen des Sportparks und eine Kita an der Cantianstraße investieren könnte. Nach Berechnungen der Vorprüfung wäre unser Stadion bereits für 40 Mio. Euro zu haben, siehe Abbildung an der Seite. Die durchschnittlichen Kosten aller Entwürfe der 2. Phase liegen bei rund 72 Mio. Euro.
Zudem ist bereits jetzt zu vernehmen, dass die knapp 100 Mio. Euro für den geplanten Abriss und Stadionneubau nicht reichen werden – ist eine typische Berliner Großbaustelle ist absehbar, die die Umgebung jahrelang belastet und deren Kosten durch die Decke gehen?

Bei den Zustimmungswerten der Online-Bürgerbeteiligung überragte unser Beitrag alle anderen bei weitem. 89 Personen haben den Fragebogen benutzt, der Wettbewerbssieger lag eher im oberen Mittelfeld. Die meisten sprachen sich gegen den Neubau des Stadions aus und
plädierten aus Nachhaltigkeitsgründen und aufgrund des identitätsstiftenden Charakters des
alten Stadions für dessen Erhalt und Sanierung.

Wie das Stadion und der Sportpark ohne Komplettabriss hätten aussehen können, ist in unserem Beitrag exemplarisch dargestellt:

Klicke, um auf JSP-Wettbewerb-web.pdf zuzugreifen

 

Der erste Preis von O + M Architekten GmbH BDA und LOR Landschaftsarchitekten Otto + Richter PartGmbH, Dresden

 

Info von rbb24 HIER

Meine Einwände zum Bebauungsplanverfahren 3-87 Jahn-Sportpark

1. Der “Footprint” des Stadions wird durch die Ausbauchung der Geometrie zum Oval wesentlich vergrößert, nach eigenen Berechnungen um ca. 20%. Das ist zu beanstanden. Denn es war eher eine flächeneffiziente Verkleinerung des Footprints gefordert. Zumindest war in der Auslobung vorgegeben: „Das neue Stadion ist in demselben Perimeter des Bestandsstadions innerhalb der Wälle zu verorten.“ (Seite 62)  Das Stadion-Baufeld ragt im Norden und Süden weit in die Wallanlage hinein und sprengt die schützenswerte Situation. Dadurch müssen erhebliche Erdmassen bewegt und viele Bäume gefällt werden, obwohl dies vermeidbar ist. Der Entwurf mit der größten Neuversiegelung wurde – entgegen aller Rufe nach einer ökologisch-behutsamen Entwicklung – ausgewählt. Im laufenden Betrieb ist ein solcher „SUV“ des Stadionbaus nicht umsetzbar.
Aus der Auslobung Seite 64: „In die bestehende Topographie soll bei der Planung für den Stadionneubau möglichst wenig eingegriffen werden, da sie zum einen ein prägendes und identitätsstiftendes Element für den Standort ist und zum anderen die erforder­lichen Erdbewegungen aus wirtschaftlichen Gründen so gering wie möglich zu halten sind. Insgesamt wird ein ressourcenschonender Umgang mit dem Ge­lände erwartet.“ Alle Teilnehmer am Wettbewerb, die sich an diese Vorgabe der Auslobung gehalten haben, waren offenbar chancenlos, weil weder Umwelt- noch Ressourcenschonung bei der Jury-Entscheidung eine Rolle gespielt haben.
Das Baufeld muss auf das in der Auslobung gewünschte ressourcenschonende Maß verkleinert werden und sich eng am heutigen Bestand orientieren.

2. Durch die Ausbauchung der Stadion-Geometrie zum Oval vergrößern sich die Abstände von den Zuschauerrängen zum Spielfeld unnötig auf ein Maß, das bei den ohnehin großen Distanzen durch die Laufbahn und Weitsprunganlagen absolut nicht gewünscht war. Die überflüssigen Flächen im Inneren des Stadions fehlen auf der Vorplatzseite zur Erschließung und Versorgung und gehen im Norden und Süden des Stadion zu Lasten der Wallanlage (Grün- und Baumverluste).
Das Baufeld muss auf das veranstaltungstechnisch sinnvollste Maß verkleinert werden und sich eng am heutigen Bestand orientieren.

3. Das Freiflächenpotential auf der Eingangsseite schrumpft durch die Ausbauchung des Stadions in den Sportpark hinein wesentlich. Dadurch fehlen die flexiblen Flächen für den notwendigen Fahrverkehr z.B. Rettungsfahrzeuge, Lieferanten, Pflegefahrzeuge, Müllentsorgung, Mannschaftsbusse, Mitarbeiter und auch für den Fahrradverkehr und der Fahrradabstellanlagen. Zudem geht die unnötige Überbauung von Vorplatzflächen zu Lasten einer großveranstaltungstauglichen Erschließungssituation. Das wird durch das geplante Heranrücken der Baufelder Begegnungszentrum und Sporthalle verschärft. Anstelle der attestierten großen Freiraumquantität weist der Entwurf viel zu geringe Bewegungsflächen auf, was die Großveranstaltungstauglichkeit in Frage stellt.
Eine Umplanung der Baufelder ist notwendig.

4. Das gesamte Stadion wächst um ein Geschoss (“Skywalk”) nach oben, was für die geplante Stadionkapazität unnötig ist und die angenehme landschaftliche Einbettung des Stadions negiert. Dadurch übersteigt die Sitzplatzanzahl die Anforderungen bei weitem (25.120 statt 20.000). Der enorme Erschließungsaufwand mit den langen Rampen ist von daher überflüssig, auch wenn sie hübsch inklusiv aussehen. Der rote Skywalk-Ring als neue Raumdominante stört den Charakter des Sportparks als Erholungsfläche und er ist überflüssig. Die Vervollständigung der Überdachung der bestehenden Ränge reicht für die geplante Nutzung aus, so wie es der Beitrag von Spreeplan Projekt (Nr. 2010, planungsagentur.de) bewiesen hat. Dies ist eine ökologisch sinnvolle Vorgehensweise, die auch im laufenden Betrieb vonstatten gehen kann.
Die Landschaftseinbettung des Stadions wird allgemein hoch geschätzt. Die Bauleitplanung soll ein Anwachsen der Ränge als Höhendominante durch eine sinnvolle Höhenquote beschränken.

5. Durch die Anhebung der Ränge gibt es keine Sitzreihen auf Spielfeldniveau mehr, die erste Sitzreihe trohnt oben auf einer Mauer. Das ist für ein Leichtathletikstadion ungewöhnlich. Folge: Kein direkter Kontakt und keine Entfluchtung zum Spielfeld mehr. Die Anhebung führt zur maximalen topografischen Veränderung gegenüber des bestehenden Rangprofils mit einem nicht gewünschten Mehraufwand an Material und Energie in der Herstellung.
Die Bauleitplanung soll die sinnlose Anhebung der Ränge durch eine sinnvolle Höhenquote beschränken.

6. Vor dem Hintergrund der Klimanotlage sollte der Bestand des Stadions erhalten bleiben, saniert und mit zusätzlichen Nutzungen vervollständigt werden, so wie es der Beitrag von Spreeplan Projekt (Nr. 2010, planungsagentur.de) detailliert aufgezeigt hat. Dies ist eine ökologisch sinnvolle Vorgehensweise, die auch im laufenden Betrieb umsetzbar ist. Hier wäre eine vorbildliche Gelegenheit, den Mahnungen der Wissenschaft nachzukommen und einen massiven Abriss zu vermeiden.
Die Kosten für einen Umbau des Stadions sind laut Vorprüfung bei der Arbeit 2010 mit 40 Millionen Euro die niedrigsten aller Varianten und die öffentliche Zustimmung im Onlineverfahren mit Abstand die höchste. Die Abstriche bei der Inklusion sind in der Abwägung mit der Ökologie hinnehmbar. Es werden nach eigenen Berechnungen rund 25.000 Tonnen Bauschutt vermieden, viel Graue Energie nachgenutzt und große Neubauvolumina eingespart.
Das Baufeld Stadion soll den Bestand mit Erweiterungsflächen eng umgrenzen und eine Nachnutzung des Stadions vorschreiben.

7. Auch das intakte „Steinhaus“ ist als Teil des Begegnungszentrums weiterhin nutzbar und für einen Abriss zu schade. Sein Erhalt führt dazu, dass eine sehr differenzierte Freiraumanordnung möglich wird, so wie es der Beitrag von Spreeplan Projekt (Nr. 2010, planungsagentur.de) aufgezeigt hat. Kein Abriss intakter Gebäude!
Das Bebauungsplanverfahren soll vor dem Hintergrund des Umfangs der notwendigen Änderungen neu aufgestellt werden – auf Grundlage einer ökologischen Sanierungs- und Ergänzungsplanung.

8. Das Begegnungszentrum ist fehlplaziert, denn es verstellt die Ost-West-Achse zwischen Cantianstraße und Stadion. Diese fungierte als Hauptzugang für Heimfans und dort warteten oft Hunderte in langen Schlangen auf Einlass. Der Platz dafür ist in der geplanten Anordnung nur noch eingeschränkt vorhanden. Das ist insofern relevant, als das sich der Konflikt mit dem Veranstaltungsbetrieb der Max-Schmeling-Halle nicht dadurch lösen lässt, dass das Pflaster gemustert ist und der umkämpfte Zuweg Nord nun „Plaza“ heißt. Die Ost-West-Achse wird zukünftig weiterhin eine wichtige Rolle spielen und sollte nicht ohne Not verstellt werden. Anstelle der attestierten großen Freiraumquantität weist der Entwurf viel zu geringe Bewegungsflächen auf, was die Großveranstaltungstauglichkeit in Frage stellt.
Das Baufeld des Begegnungszentrums soll nach Norden verschoben werden.

Der erste Preis von O + M Architekten GmbH BDA und LOR Landschaftsarchitekten Otto + Richter PartGmbH, Dresden
  • Bis auf den Rest der Sportwiese gibt es keine unprogrammierten Flächen mehr im Sportpark.
  • Die Sportwiese wird überwiegend durch einen umweltbelastenden Kunststoffplatz ersetzt.
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Erinnert der bauliche Charakter des Stadionvorplatzes nicht zu sehr an den ungeliebten Mercedes-Benz-Platz in Friedrichshain?

 

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aus: rbb-Sportnachrichten 15.12.2022

 

 

 

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Vorlauf 2021

Lange Zeit galt der Abriss des Jahn-Stadions als beschlossene Sache und sollte Anfang 2021 vollzogen sein. Der Protest verschiedener Bürgerinitiativen erreichte jedoch den Aufschub des Abrisses. Die Senatsverwaltung leitete ein städtebauliches Werkstattverfahren ein, in dem nun auch eine Sanierung und Weiternutzung des DDR-Stadions geprüft werden sollte. Das Ziel bleibt bestehen, der Jahn-Sportpark und das Stadion sollen ein Zentrum des Behindertensports werden, ein “Leuchtturm” des Inklusion.

Im Werkstattverfahren war ich als Vertreter der “Architects for Future” Mitglied der Projektgruppe. Meine Aufgabe war es zu verhindern, dass durch unnötige Abrisse wertvolle graue Energie vernichtet und durch neue ersetzt werden muss. Dabei geht es auch um das imposante Tribünengebäude, dessen Erhalt und Nachnutzung nicht nur Energie und Bauabfall sparen würde, sondern auch eine Ikone des DDR-Sportstättenbaus erhält (Bauwelt-Artikel dazu). Die Umrechnung der geplanten Abbaggerung des Stadions in Abraum-Kubikmeter und tausenden LKW-Ladungen sollte im Wettbewerb gefordert werden.

Weil das Stadion zwischenzeitlich zur Spielstätte des erfolgreichen Drittligavereins Viktoria Berlin freigegeben wurde, ist die Anforderung eines Umbaus im laufenden Betrieb dazugekommen. Dies konterkariert die angebliche Unnutzbarkeit des Stadions und das Betretungsverbot sogar für die Projektgruppe. Es zeigt sich, dass die Spielstätte nach wie vor funktioniert und eine faszinierende Großzügigkeit aufweist. Ein Abriss und Neubau erscheint unnötig.

Im Ergebnis des Werkstattverfahrens wurde in der Auslobung des Wettbewerbs der Abriss/Neubau oder Umbau des Stadions freigestellt, jedoch mit einer Präferenz für den Abriss. Das Raumprgramm für den gesamten Sportpark wurde zwar als zu groß kritisiert, fand sich jedoch unverändert im Wettbewerb wieder.