+++ Aktuelles zum RAW findet sich unter: https://www.planungsagentur.de/raw/
Am 2.11.2021 fand im Astra Kulturhaus eine Infoveranstaltung “Masterplan-Verfahren RAW” der RAW-Eigentümer statt. Die Präsentation findet sich HIER. Es soll ein städtebauliches Wettbewerbsverfahren stattfinden.
Die KritkerInnen des Abrisses und der Hochhaus-Blockplanung, die Initiative RAW Kulturensemble, waren nicht eingeladen und sind auch im “Beteiligungsverfahren” zum Masterplan nicht vorgesehen. Einzig die unter mietvertraglichen Druck stehenden MieterInnen des Soziokulturellen -L sollen das RAW und die Zukunft des Stadtteils offiziell vertreten. Unbefangene KritikerInnen können sich also nur von außen artikulieren und werden von Informationen ferngehalten. Warum das für den Grünen Bezirk so in Ordnung ist, bleibt schleierhaft. Echte Beteiligung ist etwas anderes.
Ich habe bei der Veranstaltung sehr darauf bestanden, dass es vor der Auslobung des Wettbewerbs auf Grundlage der 150.000 m² Geschossfläche endlich eine gemeinsame Erörterung des Gutachtens gibt – einen Termin, den wir so lange fordern. Denn wie unten ausführlich erklärt – das Gutachten jubelt die erzwungenen Geschossflächen hoch und bedient sich dabei höchst fraglicher Mittel. Einer ernsthaften Prüfung würde das Gutachten nicht standhalten. Und die Geschossfläche würde wesentlich reduziert werden müssen. Deshalb wird es diese Erörterung auch nicht geben. Das riecht nach Baufilz, peinlich für den Grünen Bezirk. Darüber muss noch weiter informiert werden.
Einen ersten Eindruck über die Bauabsichten von “IC Campus” kann man sich hier verschaffen – veröffentlicht bei einer Präsentation eines vorläufigen Planungsstandes bei der Konferenz „Clubs im Neubau“ 28.10.2020: Präsentation HIER
Offenbar will man auf die beiden schönen Hallen einen 7-geschossigen Büroriegel stellen. So etwas kann man mit sehr viel Beton und Stahl irgendwie hinkriegen, aber es erscheint ebensowenig ökologisch nachhaltig wie funktional sinnvoll bzw. notwendig noch denkmalgerecht.
Zentrale Begründung für das Planungsmonster ist das Gutachten der Firma aedvice (Bild rechts: Massenstudie aus dem Gutachten). Das Gutachten findet sich HIER.
Entgegen der Forderung, ergebnisoffen die wirtschaftlich tragfähigen Mindestmaße einer Nachverdichtung bei einem derart niedrigen Grundstückspreis zu kalkulieren, bekam aedvice den Auftrag zur Kalkulation des umstrittenen Strukturplans (Infos dazu unten). Und dieser sieht ja den Abriss von zwei Dritteln des RAW vor, mit den damit verbundenen Kosten, die bei einer behutsamen Entwicklung nicht in dieser Größenordnung entstehen würden. Zudem ist das Gutachten auch unter Expert*innen umstritten: Die “Fixkosten” sind viel zu hoch, es sind normale Baukosten enthalten, die dort nicht hingehören. So wurden zum Beispiel die Baukosten des bereits vermieteten House of Music als Grundstücksfixkosten angesetzt, was einen groben Fehler darstellt. Zudem gelten auch der Bau von Tiefgaragen als Grundstücksfixkosten, statt wie üblich als Baukosten. Auch dass die Tiefgaragen sich nicht mehr wie kalkulatorisch angenommen über die gesamten Neubaufelder erstrecken, sondern nun auf nicht einmal die Hälfte geschrumpft sind, solltre zur Überarbeitung des Gutachtens führen.
Somit muss eine Einschätzung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit für das Maß einer behutsamen Nachverdichtung zunächst selbst erstellt werden. Ohne die Baukosten zu kalkulieren – diese sind bei jedem Projekt ähnlich – gehe ich nur von den “Fixkosten” aus, die die Eckwerte der baulichen Notwendigkeiten bestimmen. Ich komme zu dem Ergebnis, dass ausgehend davon auch die Hälfte der Neubaumasse sowohl das (preiswerte) Grundstück wie auch Extrakosten und den Erhalt des von Neubau verschonten SKL refinanzieren würde.
Hier eine Gegenüberstellung der Kalkulationen
links zusammengefasst aus dem Gutachten – rechts eigene Schätzungen und Korrekturen
Am 5.6.2019 wurde die Zukunft des RAW vorentschieden. Im Schnellverfahren haben Grüne und SPD einen Bebauungsplan auf den Weg gebracht, der Berlin eine große subkulturelle Attraktion kosten könnte: Das RAW kann bis auf die Projekte des “Soziokulturellen L” (SKL), die in der Großbaustelle und späteren Betonwüste ohnehin untergehen werden, abgerissen und mit Sockelbauten, Blocks und Hochhäusern zugebaut werden – rund 149.000 m² BGF. Die Politik stellt das Ergebnis als großen Verhandlungserfolg dar – es werde ja nicht alles abgerissen. Die meisten der verbleibenden Gebäude stehen allerdings unter Denkmalschutz und im Ensembleschutzbereich, eine Beseitigung wäre ohnehin schwierig gewesen.
Beim Eigentümer Kurth Immobilien kann der Champagner fließen, er bekommt sagenhafte 149.000 m² Geschossfläche in Ausschicht gestellt – obwohl für ihn 2016 noch rund die Hälfte der Baumasse auskömmlich gewesen wäre (Artikel dazu). Da sind am Ende locker dreistellige Millionengewinne möglich. Die Stadtgesellschaft kann zugucken, wie ein neues Mediaspree-Shopping-Nightlife-Center entsteht und das angrenzende Milieuschutzgebiet zur Topadresse der Immobilienbranche wird. Grüne, SPD und sogar einige RAW-Mieter*innen feiern das als großen Erfolg – verkehrte Welt.
Mit einer verfrühten Festlegung auf diese monströse Baumasse gibt der Bezirk das wichtigste (Gegen)Druckmittel aus der Hand – die Dimensionierung der Baumasse. Damit liefert er die Mieter*innen völlig schutzlos gegenüber der Firma Kurth Immobilien aus, die durch Drohungen bezüglich der bestehenden Mietverträge diesen Bebauungsplan-Aufstellungsbeschluss erzwungen hat. Der Zwang zum Kurth-Bejubeln bleibt offenbar bestehen – bis zur Festsetzung des Bebauungsplans soll es angeblich nur provisorische Verträge geben. Besonders tragisch ist, dass der Bezirk die Mieter*innen dazu ermuntert hat, die erzwungene Zustimmung zum “Kompromiss” öffentlich zu machen, die Kritiker*innen der Initiative RAW Kulturensemble aber eher herablassend behandelt. Es ist zu befürchten, dass sich im Kiez eine zunehmende Konfliktlinie bildet, wenn der Bezirk so weitermacht.
Planungsausschuss am 29.5.2019 in Kürze:
Auf Druck des Eigentümers Kurth-Immobilien soll bis Juni der erwünschte B-Plan auf den Weg gebracht werden, sonst hagelt es Mieterhöhungen und Kündigungen auf dem RAW im Bereich des “Soziokulturellen-L” (SKL), so heißt es. Vom Bezirk wurde am 13.5.19 das Ergebnis der Verhandlungen vorgestellt, der sog. “Kompromiss”: Kurth wolle eine Geschossflächenzahl (GFZ) von 3,6, was ca. 185.000 m² entspricht. Der Bezirk hat ein Gutachten erstellen lassen, das eine wirtschaftliche Notwendigkeit für über 123.000 m² (GFZ 2,4) ergab. Also einigte man sich dazwischen auf eine GFZ von 2,9.
Nun soll per Aufstellungsbeschluss Kurth-Immobilien eine GFZ von 2,9 versprochen werden, das entspricht einem Bauvolumen von über 149.000 m², mit der Überbauung der Grünfläche an der Warschauer Straße sogar 153.000 m².
Im Gegenzug verpachtet Kurth die Fläche des SKL für 30 Jahre zum Selbstkostenpreis an die gemeinnützige GmbH GSE, mit der die Nutzer*innen dann Mietverträge haben. Aber erst, wenn der B-Plan in ein paar Jahren festgesetzt wäre – solange soll es einen Vorvertrag geben. Es ist davon auszugehen, dass Kurth-Immobilien sich darin Druckmittel vorbehält.
Das SKL umfasst etwa 1/3 des Kurth-Grundstücks, auf den restlichen 2/3 quetschen sich dann die Baublocks auf eine GFZ von fast 4 (Tabelle unten). Wie das dann erscheinen könnte, ist hier vom Bezirk veröffentlicht worden (Ursprung: Kurth Immobilien)
Es gibt eine Welle der (erzwungenen) Zustimmung zum Investor – Nutzer*innen, Clubcommission, die großen Bezirksparteien bis auf Reste der Linken… Wer jetzt noch gegen die Monsterpläne ist, handele “unverantwortlich”, so ist es zu hören. Das bezirkliche Wirtschaftlichkeitsgutachten, auf dem der Bauwahn basiert, wird ebenso zurückgehalten wie nachvollziehbare Testentwürfe, die die Verteilung derartiger Baumassen verbildlichen müssten, bevor man in Jubel ausbricht. Es gibt nur eine GFZ von 2,9 und dann eilig nachgereichte Visualisierungen von Kurth Immobilien.
Als Bausachverständiger reibt man sich die Augen, wenn man das mitanschaut. Es stand ja in der Zeitung, dass das etwa 51.500 m² große Grundstück 2015 zu einen Preis von 25 Mio. Euro gekauft wurde. Das ist aus heutiger Sicht mit nur knapp 500 Euro pro m² ein Schnäppchen. Der Bodenrichtwert liegt heute bei 5.500 Euro/m², dem Zehnfachen. Selbst wenn das SKL aus der Gewinnzone herausgenommen wird, verbleibt ein lächerlicher Grundstücksanteil an den Baukosten von rund 278 Euro pro m² Nutzfläche. Damit könnte man Sozialwohnungen bauen, Kurth will aber eine Miete von durchschnittlich 17 Euro/m² erzielen, wahrscheinlich mehr.
Die geplante Baudichte von GFZ 2,9 steht in keiner vernünftigen Relation zum Kaufpreis. Mit dieser Baumasse kann man einen vielfachen Bodenpreis refinanzieren. In Berlin wird mit wesentlich höheren Grundstücksanteilen gebaut, z.B. 1.500 €/m² und mehr. Der Bodenrichtwert liegt für das RAW-Areal mittlerweile bei 5.500 Euro/m². Ein Weiterverkauf mit Baurecht verspricht astronomische Renditen.
Bezogen auf den geringen Grundstücksanteil auf die Baukosten ist auch die begutachtete wirtschaftliche Notwendigkeit für eine GFZ von 2,4 nicht gegeben (344 €/m²). Ausgehend davon wäre eine wirtschaftliche Zumutbarkeit auch bei weniger als der Hälfte der angestrebten Baumasse gegeben (Tabelle rechts). Auch Sonderaufwendungen für Altlastenbeseitigung fallen angesichts dessen nicht stark ins Gewicht. Es gilt zudem, dass ein Bestandserhalt den Umfang der Dekontamination reduziert. Manchmal ist es besser die Versiegelung nicht aufzuheben.
Wenn ein Vielfaches des Grundstücksanteils an den Baukosten wirtschaftlich zumutbar wäre, also mindestens eine Halbierung der Baumasse – wieso feiert der Bezirk das Ergebnis als Erfolg? Wie kommt das ominöse Gutachten auf seine Werte? Welche Extrakosten wurden in Rechnung gestellt?
Diese Fragen werden vielleicht im Stadtplanungsausschuss beantwortet – am Mittwoch 29.5.19, 18 Uhr. Ort: BVV-Saal Rathaus Yorckstraße.
Dort wird es erstmalig die Vorstellung der Ergebnisse des “Dialogwerkstattverfahrens” vom letzten Jahr geben. Völlig übereilt soll dazu ein Aufstellungsbeschluss zur Abstimmung stehen, der erst am 28.5., einen Tag vor der Sitzung und dazu mit unterschiedlichen GFZ-Werten verschickt wurde.
Die Fraktionen haben nicht die Möglichkeit sich vorzubereiten und Anträge zu stellen, denn die Einreichungsfrist für die nächste BVV war dann bereits verstrichen. Anträge können erst im August behandelt werden, es gibt bereits sieben Stück, bei deren Erstellung ich die Piraten in der Fraktion der PARTEI beraten habe. Der geplante Beschluss des Bebauungsplans in einer Sondersitzung Anfang Juni würde die demokratischen Gepflogenheiten auf den Kopf stellen. Die bereits eingebrachten Anträge würden ins Leere laufen.
Die Anträge:
1. RAW nicht als Abladeplatz für Bruttogeschossfläche missbrauchen!
2. Erhaltungsgebiet RAW – Offener Eingangsbereich zwischen Oktagon und Beamtenwohnhaus
3. Erhaltungsgebiet RAW – Kein Abriss der Kulturhäuser Urban Spree und Astra!
4. Erhaltungsgebiet RAW – Halle 22 (Haubentaucher) nicht vollständig bebauen!
5. Erhaltungsgebiet RAW – Kein Abriss der Hallen 23-25
6. Erhaltungsgebiet RAW – Kein Abriss der Halle 18 am Biergarten
7. Erhaltungsgebiet RAW – Parkplatz (Fläche C1) nicht vollständig überbauen
Nachtrag – Ergebnis der Anträge:
Die Anträge wären abgelehnt worden, was jedoch peinlich für viele Verordnete gewesen wäre. Insofern gab es die Bereitschaft, die immer geforderte Fortsetzung eines Beteiligungsverfahrens zu beschließen – als Ersetzungsantrag für einen der Anträge, wenn die anderen zurückgezogen werden. Am Ende ist Antrag 1 durch den Antrag zum Verfahren ersetzt worden (Link HIER). Seitdem wird an der Umsetzung einer B-Planbegleitung mit Anlaufstelle auf dem RAW-Gelände gearbeitet.
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Die „Dialogwerkstatt RAW“ hat ein Ergebnis produziert: ein Strukturplan, der den Abriss des größten Teils des RAW vorsieht sowie enorme Baumassen und Hochhäuser ermöglicht. Es ist kaum zu glauben. Stadtrat Florian Schmidt charakterisierte die internen Abstimmungen einst so: „Die Eigentümer würden hier halt Wünsch-dir-was spielen.“ (taz 8.6.2018)
Es ist leider bei den Investorenwünschen geblieben und nun soll die BVV entscheiden. Das kann anstrengend werden, denn jeder Schritt zur Verkleinerung der Baufelder und weg von den riesigen Baumassen wird von der Eigentümerseite nun als Bruch eines Versprechens gewertet und mit Sanktionen gegen die Bestandsmieter*innen beantwortet. Ein Antrag der Grünen war der Auftakt dazu. Die Stadtteilinitiativen sind dem letzten Lenkungskreis aus Protest gegen das “Dialogverfahren” sowie dessen Ergebnis – dem Strukturplan und seinem “Regelwerk” – ferngeblieben. Dazu gab es zwei schriftliche Erklärungen: Stellungnahme und Baufeldkritik
Viele haben immer wieder davor gewarnt, die baulichen Erwartungen zu hoch anzusetzen, weil man dann nur noch schwer wieder auf ein kiezverträgliches Maß zurückkommt. Ex-Bürgermeister Franz Schulz hat aus diesem Grund das Verfahren verlassen. Ein neues Verfahren muss begonnen werden, das die Belange des Bezirks und Wünsche der Bevölkerung über die Renditeerwartungen der Eigentümer stellt! Die Initiative RAW Kulturensemble ein solches in ihrer Stellungnahme skizziert.
Übrigens gab es 2016 einen abgestimmten Entwurf des Eigentümers Kurth Immobilien, der eine Nachverdichtung ohne großen Abriss und etwa nur die Hälfte der heute anvisierten Baumasse vorsah. (Variante 2 – Link zu meiner Untersuchung). Warum verspricht der Bezirk den Eigentümern soviel mehr an Baumasse?
Nun muss also mühsam rückverhandelt werden – oder das RAW verschwindet unter einer Edelbetonwüste, die auch den Kiez immobilienwirtschaftlich enorm aufwerten wird. Eine neue Welle der Gentrifizierung würde bevorstehen. Einen Einblick in die Sichtweise des Bezirksamtes gibt die Beantwortung einer BVV-Anfrage vom 28.11.2018.
Mein Entwicklungskonzept geht von einer räumlichen Qualifizierung des Areals unter Wahrung des experimentellen Charakters der Nutzungen aus. Es ist das die maximale Baumasse dargestellt, die das Ensemble gerade noch so bewahrt. Die Leitidee ist die Stärkung des Ost-West-Durchgangs durch neue, attraktive Zugänge an der Warschauer Straße und an der Modersohnbrücke hin zu einer “Kulturpromenade”. Hier entstünde die erste Fußgängerzone in Friedrichshain. Es ist absehbar, dass sich die Besucherströme von der Revaler Straße auf das Areal verlagern – für die AnwohnerInnen der Revaler Straße wäre das eine Entlastung.
Zur dauerhaften Sicherung der urbanen Qualität braucht es einen qualifizierten Bebauungsplan, in dem Bestandsgebäude mit ihrer Nutzung eng umrissen festgesetzt sind, öffentliches Wegerecht gesichert wird und Neubauflächen exakt ausgewiesen sind. Das Ensemble soll mit einer Erhaltungssatzung unter Schutz gestellt werden. Um die Eigentümer zu entlasten, soll die zentrale Grünfläche aus dem Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt (SIWA) mitfinanziert oder angekauft werden. Die wachsende Einwohner- und Nutzerdichte in Friedrichshain macht die Schaffung einer neuen Grünfläche notwendig.
Als PDF HIER
Präsentation RAW-Erörterung 14.12.2017, Stadtteilbüro Friedrichshain